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125 Jahre Talvogtei Grönland

Geschrieben vom Grönländer Fasnachtsgeischt
 

Bereits in den frühen 1890er Jahren brodelte sie in unseren Grünländer Herzen: Eine gewisse Unzufriedenheit über die fasnächtlichen Gebräuche der hochnäsigen „Städtli-Zeller“. Da meinten doch die „Besseren“ von der Lesegesellschaft und dem Streichorchester tatsächlich, sie könnten uns alles aufdiktieren, was wir, fasnächtlich gesehen, zu tun oder zu lassen haben. Aber noch mehr als die Unzufriedenheit brodelte natürlich das berühmte Zeller Fasnachtsfüür in uns.
Wir „Grünländer“ waren einfache Leute. Fabrikler und Handwerker. Wir hatten nicht viel, jedoch machten wir das, was wir machten, mit Herzblut und aus voller Überzeugung.


Irgendwann nahm sich der Weissenbach Karli ein Herz. Im Herbst 1896 rief er die Väter und Söhne der umliegenden 10 – 12 Häuser zu sich. Man wurde sich schnell einig. „Mir mache unsi eigeni Fasnacht. Die do vorne chönne uns mol in Hobel bloße!“


Und so staunten die Städtli-Zeller nicht schlecht, als wir Grünländer 1897 einen eigenen Chappeobe organisierten und zur Krönung mit eigenem Wagen, sowie Mann und Maus am Fasnachtssunndig ins Städtli fuhren. Wir wussten nicht wirklich, was uns erwartet, aber unser Auftreten muss wohl sehr gelungen gewesen sein. Auf jeden Fall war die Akzeptanz gleich sehr groß. Man stelle sich vor, die aus dem Städtli waren sogar etwas neidisch und wir waren Vorbild für die ganzen Vogteien, deren Gründungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten folgten. Darauf sind wir, ehrlich gesagt, immer noch ein wenig stolz.

Die Jahre vergingen. Mal lief es besser, mal etwas schlechter. Der erste Weltkrieg bedeutete natürlich große Verluste, sowie einen gewissen Unterbruch und so mussten wir uns in den frühen zwanziger Jahren erst einmal wieder berappeln und neu organisieren.

In die Zeit fiel es auf jeden Fall, dass wir uns auf Initiative vom damaligen Vogt, Linus Motsch, vom „Grünland“ ins „Grönland“ umbenannten. So richtig weiss ich ehrlich gesagt nicht mehr, warum das so geschehen ist . Ich war in der Zeit ein bisschen viel im Wilden Mann zu Gange. Ich glaube, es hatte damit zu tun, dass wir in jenem Jahr an der Fasnacht Eskimos machten und uns das Wortspiel so sehr gefiel. Wie dem auch sei. Der Name Grönland blieb. Also musste auch ein neues Wappen her. So ist das bis heute geblieben. Das Schild in den Farben blau, weiß, rot und gelb wird umrahmt von zwei Eisbären, unserem Wappentier. Wer dies einmal prunkvoll gestaltet und in stattlicher Größe sehen will, sollte mal in unserem Vereinsheim, der Seilerburg, vorbei kommen. Da ist dieses Wappen in der Größe 2 x 1 m in Gips oben im Burgsaal an der Wand zu sehen.  Aber zurück zu früheren Zeiten…

Bis zum Kriegsbeginn 1939 hatten wir ungebrochenen Zulauf. Jeder wollte irgendwie ein Grönländer sein. Ich persönlich kann das ja heute noch verstehen 😊 Auf jeden Fall war die Mitgliederschar, aber vor allem die Schar derer, die den Wagen bauen wollten, so groß, dass man einfach mit bis zu vier Wagen am Zeller Umzug teilnahm. 

Nach dem zweiten Weltkrieg war das Fasnacht machen durch die französische Besatzungsmacht verboten. Auch hier waren es wieder wir Grönländer, die sich einfach nicht unterordnen wollten und im Jahre 1948 klammheimlich einen Wagen bauten. Es war ein wirklich gefährliches Unterfangen und wir wussten nicht, wie es ausgehen würde. Da stand keine Strafe von 2 Mark für eine kleine Bagatelle im Raum – wir wussten schlicht nicht, ob die Franzosen im Städtli das Feuer eröffnen und auf uns schießen würden. Aber nach all den schlimmen Jahren waren wir so ausgehungert nach etwas Fröhlichkeit. Den Kopf nach Jahren mal nicht hängen lassen und die Schultern einziehen, sondern uns auf unsere Stärken besinnen und ein „gell, Du chennsch mi nümmi“ ins Volk rufen, das war das, was uns über Wochen hinweg anspornte und auf den großen Tag hinfiebern liess. So geschah es also, dass sich am 08. Februar 1948 der Zug vom Grönland aus in Bewegung setzte und mit „Prinz Max, dem Ersten (alias Max Klinke) hatten wir sogar einen Regenten mit auf dem Wagen. Die Franzosen waren nur erstaunt. Kein Schuss löste sich, jedoch die Stimmung aller Zeller – und auch von so manchem Franzosen. Jeder Zeller sprang nach Hause um in Windeseile etwas „usm Chaschte“ zu holen und sich einfach zu verkleiden. Tja, das war wohl die stolzeste Stunde von mir und allen Grönländern, die damals dabei waren. Vielleicht sollte man auch in der heutigen Zeit nicht vergessen, dass ab und an etwas rebellisch sein an der Fasnacht noch lange nicht das Schlechteste ist.

Die Jahre verstrichen und wir schwammen bis in die frühen Achtziger auf einer einzigen Erfolgswelle. Noch können wir die Paradiesler, und wie die ganzen großen Wagenbau-Gemeinden heutzutage heißen mögen, in Schach halten mit ersten Wagenplatzierungen. Aber gut, das kann sich durchaus ändern und darum geht es ja schlussendlich auch nicht wirklich.

In den Siebzigern war der Röhrleschopf im „Freien Atzenbach“ unser zu Hause. Und weil wir uns so gerne trafen und bauten, wurde einfach auch im Frühjahr 1973 nach der eigentlichen Fasnacht weiter getüftelt. Heraus kam der legendäre Nachbau des „Todtnauerlis“. Dieses Gefährt ließ für einige Jahre an den Festen die Kinderherzen immer wieder höhen schlagen. Leider mussten wir unser geliebtes Gefährt nach geraumer Zeit aufgeben und rückbauen, weil der TÜV und noch schlimmer, der Bau der Umgehungsstraße drohte (die ja dann immerhin sagenhafte 30 Jahre später endlich in Betrieb genommen wurde 😉 ). Und nicht nur unser geliebtes Todtnauerli fiel dem zum Opfer. Wir mussten uns sogar gänzlich nach einem neuen Wagenbauschopf umschauen.


Mit Hilfe der Stadt gelang es Vogt Ala, im Jahr 1981 im Grönland die alte Seilerei Vogel für einen kleinen Nennbetrag zu erwerben. Doch was wartete für ein Berg Arbeit auf uns? Aus einem total heruntergekommenen Gebäude nebst Seilerbahn einen Saal für die Näherinnen und eine „Wagenbaumöglichkeit“ für die Herren der Schöpfung zu schaffen. Ganz ehrlich, diese Zeit zehrte sehr an uns Mitgliedern. Viele kamen dabei an ihre Grenzen und die ehemals große Grönlandfamilie schrumpfte doch beachtlich. Doch Ala und sein treuer Stamm bissen sich durch und erschufen mit einer ungeheuren Energieleistung den heute noch so wunderschönen und großartigen Rittersaal. Sogar eine Kegelbahn wurde in den Gängen untergebracht. Das war wohl auch dem Ala sein Lebenswerk und kein richtiger Grönländer wird das je vergessen.  

Nach Alas plötzlichem Tod am Hemdglunki 1994 war guter Rat teuer. Der kam dann in Form vom Rudiger Urban, der viel Aufbauarbeit für die Vogtei leistete. Unter seiner Führung wurde die Finanzierung und der Bau des heutigen, angrenzenden Wagenbauschopfs gestemmt. Die älteste Vogtei bekam in den Folgejahren auch endlich ihre eigene Maskengruppe. Die Grönländer Seiler durften sich am Ölfte Ölfte 2000 dem breiten Fasnachtspublikum vorstellen. Die Seiler sind mittlerweile natürlich vollständig bei der Zeller Fasnacht etabliert und bieten an jedem Umzug eine schöne Show, irgendwo zwischen Sportlichkeit und Witzigkeit, für die Zuschauer am Straßenrand.

In den letzten 20 Jahren beschäftigen wir uns mit Renovierungsarbeiten in und um die Seilerburg, natürlich mit der Fasnacht und mit viel Kameradschaft. Die Grönlandfamilie ist wieder zu einem stattlichen Trupp angewachsen. Leider konnten wir aufgrund der momentan unbeständigen Zeiten kein großes Jubiläum planen. Aber wie ihr bereits gelesen habt, wirft uns ja so leicht nichts aus der Bahn. Von daher werdet ihr, sofern das machbar ist, speziell in diesem Jahr immer wieder von uns hören. Wir werden unseren Geburtstag immer wieder kurzfristig bewerben und feiern. Ich selbst schließe jetzt mit den Worten „die Talvogtei Grönland, sie lebe hoch“ und melde mich dann in 125 Jahren wieder an gleicher Stelle. Da wird der Bericht dann hoffentlich nochmal um viele Kapitel ergänzt.

Danke für Euer Interesse. Und wenn ihr mich mal besuchen wollt, ich bin in der Seilerburg, oben im Rittersaal, ganz hinten im Eck unter dem gegipsten Wappen 😉

TA-HÜ, Euer Grönländer Fasnachtsgeischt.

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Mit Hilfe der Stadt gelang es Vogt Ala, im Jahr 1981 im Grönland die alte Seilerei Vogel für einen kleinen Nennbetrag zu erwerben. Doch was wartete für ein Berg Arbeit auf uns? Aus einem total heruntergekommenen Gebäude nebst Seilerbahn einen Saal für die Näherinnen und eine „Wagenbaumöglichkeit“ für die Herren der Schöpfung zu schaffen. Ganz ehrlich, diese Zeit zehrte sehr an uns Mitgliedern. Viele kamen dabei an ihre Grenzen und die ehemals große Grönlandfamilie schrumpfte doch beachtlich. Doch Ala und sein treuer Stamm bissen sich durch und erschufen mit einer ungeheuren Energieleistung den heute noch so wunderschönen und großartigen Rittersaal. Sogar eine Kegelbahn wurde in den Gängen untergebracht. Das war wohl auch dem Ala sein Lebenswerk und kein richtiger Grönländer wird das je vergessen. 

Vogt Ala - Fasnachtsonntag 1978 

Fasnacht 1934

Fasnacht 1934

Infos & Kurioses:

  • Das Grönland erstreckt sich vom Wilden Mann über den Eichwald, den Jeglisgraben, den Leisenberg bis hin zur Gemarkungsgrenze Atzenbach. Ausserdem zugehörig ist auch die Enklave „Freiatzenbach“.

  • Das ehemalige Wappen der „Grünländer“ war eine Holzkelle. Die Originalkelle gibt es immer noch und hat einen ganz speziellen Verwendungszweck. Macht man beim Grönland zum ersten Mal Fasnacht, bzw. ist man zum ersten Mal als „Volljähriger“ mit dabei, gibt es beim Fasnachtsabschluss, zwei Wochen nach der eigentlichen Fasnacht, den Aufnahmetrunk aus eben genannter Kelle. Dabei wird einem aus der Kelle Rotwein zugeführt, die Hände hat man dabei auf dem Rücken zu halten. Über weitere Details wird sich an dieser Stelle ausgeschwiegen…

  • Ein Fasnachtsthema, welches auf unerklärliche Weise tief mit den Grönländern verwurzelt ist, ist das Schiff. Schiffe werden in unregelmäßigen Abständen immer wieder gebaut und an der Zeller Fasnacht entsprechend thematisiert.

  • Das Grönländer Rathaus war und ist seit Anbeginn der „Wilde Mann“.

  • Längste Amtszeit als Vereinsvorstand hat mit Abstand der legendäre Vogt Albert „Ala“ Geiger. Er fungierte von 1964 bis zu seinem plötzlichen Tot im Jahre 1994 in jenem Amt.

  • Das Grönland wird im 125sten Vereinsjahr erst vom elften Vogt geführt. Dies ist Peter Waßmer. Er ist seit dem Jahr 2019 der Vereinsvorstand. Vize-Vögtin ist Marina Cipolla.

Grönländer Umzugsteilnehmer Fasnacht 2020

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